Hope Lab – über Designing Hope.
Hope Lab – über Designing Hope.
Zwischenergebnis aus dem Hope Lab des Festivals NODE17.
Design existiert, um Probleme zu lösen. Design ist kein Akt der kreativen Selbstdarstellung. Wie der Designer Milton Glaser einmal sagte: “Design ist der Prozess, der von einem bestehenden Zustand zu einem bevorzugten führt”. Für lange Zeit wurde Design zur dekorativen Verbesserung degradiert. Mit wenigen Ausnahmen war Design für Unternehmen der letzte Feinschliff, um neueste Produkte zu promoten. In den letzten Jahren hat sich diese Realität jedoch radikal verändert: Design steht heute für Innovation und Start-Up-Kultur. Da einige Designinnovationen unser Leben tatsächlich verändert haben, haben viele begonnen, Design mit Hoffnung gleichzusetzen. Du hast Probleme? Das nächste iPhone wird’s lösen!
Wir glauben heute so fest daran, dass alles gemessen, geplant und gelöst werden kann, dass wir diese Gleichung kaum hinterfragen. Und doch sind in den letzten Monaten viele der größten globalen Probleme durch einige dieser Lösungen by Design verschärft worden: Facebook und Co. verbreiten Fake News, die eine globale nationalistische Bewegung antrieben; die Anzahl der Selbstmorde von Jugendlichen, die online gemobbt wurden, erreichen Rekordwerte und Livestreams von Polizeibrutalität lösen soziale Unruhen aus. Design erschien noch nie so unangemessen oder auf so sture Art hoffend wie jetzt.
Das „Hope Lab“ wurde von fünf Künstler*innen und Designer*innen gegründet, die fest entschlossen sind, das NODE Forum neu zu designen und die Techniken und Formate des Austauschs auf diesem Forum – und darüber hinaus – umzugestalten. NODE ist ein Festival, das aus der Leidenschaft einer Community für kreative Software entstanden ist und sich zu einem Treffen für Designer*innen, kreative Technologen und interessierte Nichttechnolog*innen verwandelt hat. Wenn es einen Ort gibt, an dem die Kapazität und die Fähigkeit zum Entwerfen von Hoffnung existiert, dann ist es auf dem NODE-Festival.
Das Hope Lab ging das Festival als Design-Problem an. Es hat die weltbewegenden Produkt-Design-Methoden des Silicon Valley benutzt, um häufige Festivalbeschwerden und insbesondere seine Kommunikationsprobleme zu lösen. Wir haben Festivalbesucher*innen und Organisator*innen interviewt und ihre Probleme synthetisiert. Aus dem kritischen Lösen dieser Probleme ist ein inspirierendes Durcheinander von innovativen Produktprototypen entstanden, die darauf abzielen, unsere Kernhypothese zu bestätigen: mit den richtigen Leuten und dem richtigen Kontext ist es möglich, einen Ort des hoffnungsvollen Austauschs zu gestalten.
Das Hope Lab setzt in diesem Moment auf dem NODE17 Forum for Digital Arts eine Reihen von Ideen um, die einen kritischen, hoffnungsvollen und kreativen Dialog mit und über Medien und Technologie ermöglichen: Als Zentrum für diesen Dialog fungiert der Hope Pavillon. Er verfügt über einen revolutionären Informationsschalter, der die Hoffnung von Festival-Teilnehmer*innen misst und füttert, während man dort auch den Festivalpass abholen kann. Für Festivalbesucher*innen mit einem schmalen Geldbeutel bietet das NODEsurfing Unterkünfte und verbindet Künstler*innen aus der ganzen Welt mit lokalen Besucher*innen. Das Hope Beacon hingegen ist der Türöffner für spontane Konversationen: Es ist ein tragbares Wearable, das den Hoffnungsgrad der Besucher*innen misst und visualisiert: Wenn es eine hoffnungsvolle Träger*in erkennt, blinkt es so, dass das Umfeld daran teilhaben kann. Für die breitere Kommunikation mittels Digital- und Printmedien wurde mit Hope Sans eine komplett neue Schriftart auf Basis des Schweizer Schriftklassikers helvetiva entwickelt. Jedes Zeichen wurde neu gestaltet und mit nur einer Linienbreite gezeichnet, Buchstaben durch Piktogramme und Emoticons ersetzt und Text durch ein Design-System ergänzt, das kostengünstige Stockfotografie zelebriert. Die meisten Festivals werden im voraus programmiert: Es gibt wenig Raum für den Austausch außerhalb des offiziellen Zeitplans. Un-workshops sind von der heute beliebten Un-Conference inspiriert, in der sich die Community selbst organisiert, um Wissen und Kompetenzen zu teilen. Jede Teilnehmer*in des Festivals wurde vom Hope lab eingeladen, spontane oder vorbereitete Workshops, Gespräche und Diskussionen während des Festivals beizusteuern.
Das HOPE-Kit ist ein Werkzeug, das den Nutzern hilft, einen eigenen Treffpunkt zu gestalten. Es sammelt Tipps und Tricks aus der digitalen und analogen Welt: Selbstorganisation, Kooperation und Wissensaustausch sind die Zutaten. Der NOPE Beach ist schließlich ein Ort für alle, die nicht offline, nicht mehr diskutieren wollen – hier ist die offizielle Zone für den inoffiziellen, leisen Dialog.
Der Autor:
Famous New Media Artist Jeremy Bailey ist kanadischer Künstler und der Leiter des Künstlerteams Hope Lab.
Abbildung:
Das Hope Beacon misst und visualisiert den Hoffnungsgrad der Besucher
NODE17 Forum for Digital Arts – Designing Hope findet statt bis einschließlich 2. Juli 2017 im Künstlerhaus Mousonturm. http://17.nodeforum.org
Kommentar
Ich finde dieses Projekt sehr spannend. Es ist sicherlich von großer Bedeutung, dass wir intensiver über den Gebrauch digitaler Technologien reflektieren. Jedoch bin ich in einem Punkt anderer Meinung: In dem Text heißt es:“(…)Facebook und Co. verbreiten Fake News, die eine globale nationalistische Bewegung antrieben; die Anzahl der Selbstmorde von Jugendlichen, die online gemobbt wurden, erreichen Rekordwerte und Livestreams von Polizeibrutalität lösen soziale Unruhen aus.(…)“. Das ist m.E. falsch. Hier wird der Eindruck erweckt, die Plattformen würden diese Inhalte erstellen und verbreiten. Aber das stimmt nicht. Die Inhalte werden nicht von den Plattformen erstellt, sondern von den Menschen, die diese Plattformen nutzen. Und dabei entsteht – wie im analogen Leben auch – sowohl Gutes als auch Böses. Wenn wir die Reflexion auf die Technologie fokussieren, gehen wir in die falsche Richtung. Design hat eine Relevanz in diesem Kontext, aber ebenso hat die Tatsache eine Relevanz, dass der Kultursektor bis keine Rolle im digitalen Raum spielt. Die vorhandenen Ansätze sind spannend, aber der Kultursektor gestaltet den digitalen Raum noch lange nicht mit. Wenn wir also über Design reden – und wie gesagt, ich finde das Projekt sehr spannend und wichtig – dann müssen wir auch über das analoge „Lebens-Design“ oder „Gesellschafts-Design“ diskutieren, dem ihn entspringt alles, was wir im digitalen Raum erleben. Die Frage wäre dann auch, ob wir uns nicht intensiver mit den Wechselwirkungen zwischen digital und analog beschäftigen müssten…
Beste Grüße
Christoph Deeg