Lichter Filmfest: In der VR-Zukunft steckt noch viel Potenzial
Lichter Filmfest: In der VR-Zukunft steckt noch viel Potenzial
Wenn man sich intensiver mit VR auseinandersetzt, kann man es fast schon nicht mehr hören – VR ist “Neuland“, ein Experimentierfeld, irgendwie die Zukunft aber auch noch ganz am Anfang. So war auch der Tenor der Referenten des Kongresses „VR Storytelling“, der die vom LICHTER Filmfest Ende März veranstalteten VR-Kinovorführungen sowie die VR-Messe begleitete. In Kooperation mit der Sendertochter ZDF Digital veranstaltet, kamen hier einige Entwicklungspioniere der narrativen VR-Welt zu Wort. Antworten, wie man denn nun in diesem Medium erzählen sollte, hatten diese freilich noch nicht. Es ging viel um Blickführung, Aufmerksamkeitssteuerung und die technischen Herausforderungen, die das Arbeiten mit 360-Grad-Kameras bedeuten. Ein Rezept zum perfekten VR-Film gab es noch nicht.
So verlaufen die „frühen Jahre“ des neuen Mediums weiterhin schleppend. VR-Filme sind weiterhin ein Nischenprodukt und vor allem im mobilen Bereich erfolgreich – so zum Beispiel auf Mobiltelefon gestützen Geräten wie dem GearVR oder Googles neuem Headset „Daydream“ – jedoch eher in der Form kleiner Kurzfilme, „experiences“, die entweder in Form eines experimentellen Musikvideos oder eines immersiveren Kinotrailers daherkommen. Sicherlich, kleine Dokumentationen oder Behind-the-Scenes-Filmchen sind ebenfalls dabei, es wäre aber falsch zu glauben, dass Film und VR bereits irgendwo angekommen sind. Anders sieht es da bei den Computerspielen aus: wachsende Zahlen an Headset-Besitzern sowohl für den PC als auch für Konsolen halten ein Momentum am laufen, das immer wieder neue spektakuläre Videospiele produziert. Hier ist die definitive, mainstreamtaugliche Form zwar noch nicht gefunden, doch gewinnen VR-Games immer mehr an Relevanz und Solidität, wohingegen VR-Filme sich ihren experimentellen Charakter bewahren konnten.
Inzwischen wendet sich die VR-Branche bereits dem nächsten „großen Ding“ zu: AR, „augmented reality“. Gemeint ist damit die Verwischug der Grenzen von VR und unserer normalen Wahrnehmung. Virtuelle Objekte existieren nicht nur in gänzlich digitalen Umgebungen, sondern werden per transparenter Brille direkt über unsere reale Umgebung gelegt. Apple hat in den letzten Monaten für viele Schlagzeilen gesorgt, indem es einige namenhafte AR-Startups gekauft und eine eigene Entwicklungsumgebung für AR-Inhalte veröffentlicht hat, „ARKit“. Diese setzt zunächst noch nicht auf Headsets, durchsichtig oder nicht, sondern nutzt die in Mobiltelefonen verbauten Kameras, um die gefilmte Realität mit virtuellen Inhalten zu füllen, ähnlich wie bei der Erfolgsapp „Pokemon GO“, mit der sich letztes Jahr Millionen von Spielern auf die Jagd nach virtuellen Monstern in ihrer Nachbarschaft gemacht haben. AR ist zweifelsohne auch ein interessantes Medium zum Geschichten erzählen, es gibt beispielsweise bereits Projekte die virtuelle Schauspieler in ganz realen Wohnzimmern umherspazieren lassen. Aber während VR-Headsets immerhin marktreife erlangen konnten, sind AR-Headsets immer noch Prototypen.
Gelegenheit genug also, den Fragen nach dem narrativen Potential von VR weiter nachzugehen.
Es gibt allerdings schon erste Niederlagen zu verzeichnen: So musste ein in Amsterdam eröffnetes VR-Kino wieder schließen. Interesse am Medium ist zwar noch vorhanden, aber eben noch nicht ausreichend gehaltvolle Inhalte, um ein Publikum dauerhaft zu binden. Dabei bleibt VR ein Medium mit faszinierenden Möglichkeiten und noch nicht einmal im Ansatz ausgeloteten Potentialen. LICHTER jedenfalls will und wird die spannenden Entwicklungen in diesem „Neuland“ weiterhin beobachten und seinem Publikum vorstellen.
Autor: Philipp Mehler ist Programmleiter der neu eingerichteten VR-Sektion des Lichter Filmfests
Foto: VR-Film „Tankstelle des Glücks“ © Uwe Flade, Gebrüder Beetz Filmproduktion
Hinterlassen Sie eine Antwort