Rhizom Filmgeschichte – Hat der Film schon angefangen?
Diese Frage wird nicht selten im klassischen Dispositiv des Films, dem Kino, vernommen. Daran anknüpfend stellt sich rasch das Nachdenken darüber ein, was überhaupt den Anfang eines Films ausmacht, was ihn abhebt vom restlichen Teil des Films und welche Rolle er in der Narration spielt.
„The first scene [is] the key note of the photoplay […]“ – Eustace Hale Ball in The Art of the Photoplay, 1913
Für Filmschaffende und Filmwissenschaftler*innen steht gleichermaßen fest: Der Anfang hat eine besondere Bedeutung, die nicht unerhebliche Auswirkung auf Rezeption und Verständnis des gesamten Werkes hat. In dieser Hinsicht lassen sich quer durch die Geschichte des Films immer wieder ähnlich inszenierte Momente des Anfangs finden. Diese historisch vernetzten Gemeinsamkeiten aufzuzeigen und durch eine digitale Umgebung interaktiv erfahrbar zu machen, ist das Ziel des Projekts RHIZOM FILMGESCHICHTE. Dabei wird besonders auf eine intuitive Erkundung der Filmgeschichte Wert gelegt. Die Nutzer*innen sollen eintauchen können in die künstlerische und unterhaltsame Vielfalt der deutschen Filmgeschichte.
In den vergangenen Wochen und Monaten hat sich im Projekt RHIZOM FILMGESCHICHTE viel getan: Die kritische Auseinandersetzung mit einer großen Zahl an Bewegtbild-Tools, mit verschiedenen Darstellungsweisen des vergleichenden Sehens, mit partizipativen Elementen und digitalen Analyse- und Annotationsverfahren hat zu einem genauen funktionalen Anforderungsprofil unserer geplanten Plattform geführt.
Das Projektteam hat so viel Input wie möglich aus verschiedensten Fachkreisen eingeholt, das RHIZOM auf Tagungen und Konferenzen vorgestellt und mit deutlich positivem Feedback diskutiert. Bei der internationalen Fachtagung „Filmbildung digital?“ stand im Austausch mit Filmpädagog*innen und Lehrer*innen das filmvermittelnde Potential des Projektes im Fokus.
Ein Workshop an der Universität Marburg mit Medienwissenschaftler*innen nahm die
Möglichkeiten einer wissenschaftlichen Nutzung der geplanten Plattform in den Blick. Besonders hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit Studierenden der Goethe-Universität: Eine im Wintersemester 2018/19 angebotene kuratorische Übung widmet sich ganz der inhaltlichen Arbeit am Projekt. Rund 15 Studierende aus verschiedenen Studiengebieten sind zu uns gestoßen und bringen mit einem großen Interesse ihre Expertisen aus der Musik-, Theater-, Medien- und Filmwissenschaft mit ein. In Expertengruppen unterteilt arbeiten die Studierenden an spezifischen Motiven und Funktionsweisen von Filmanfängen und entwickeln mit Hilfe von AV-Materialien und filmhistorischen Quellen kuratorische Konzepte, mit denen ihre Themen – darunter: die Rolle der Musik, das Motiv der Stadt, Schrift und Text im Filmanfang – gestalterisch und inhaltlich attraktiv einem breiten Publikum auf der Plattform präsentiert werden können.
Die hier beschriebene Zusammenarbeit mit Studierenden steht besonders vor dem Hintergrund der kuratierten Pfade, die einen vorgegebenen Weg durch das Geflecht an Filmanfängen aufzeigen und durchlaufen. Die eingangs gestellte Frage „Hat der Film schon angefangen?“ ist eine der vielen Fragen und Themen, die wir gemeinsam mit den Studierenden auf diese Weise bearbeiten wollen.
Neben der inhaltlichen Projektentwicklung stand zuletzt auch die technische Umsetzung oben auf unserer Agenda. Bei Workshops mit dem kreativen Team des Web- und App-Entwicklers BrightSolutions in Darmstadt werden derzeit die Grundlagen gelegt für die Realisierung der Plattform, wobei neben den technischen Anforderungen an das Backend und der Funktionalität der Plattform auch das Design und die User Experience im Fokus stehen.
Work in Progress: Unser Klickdummy © Deutsches Filminstitut
Als wichtige Grundlage für den Dialog mit Technik- und Kreativagenturen nutzen wir dabei ein paradoxerweise großteils analoges Instrument: Mithilfe eines sogenannten „Klickdummys“ haben wir laufend unsere Ideen visualisiert und getestet. Handschriftliche Buttons und Verlinkungen verweisen bei diesem Vorgehen auf spätere digitale Umsetzungsmöglichkeiten und können dabei schnell ersetzt oder verbessert werden.
Die nächsten Schritte betreffen vor allem die technische und gestalterische Arbeit an der Plattform. Parallel dazu werden die kuratierten Pfade des Projektes weiter ausgearbeitet. Ich selbst befasse mich gerade eingehend mit den Besonderheiten des Anfangs im Kriminalfilm.
Autor:
Valentin Gille ist Student des Masters Filmkultur an der Goethe-Universität Frankfurt und begleitet das Projekt RHIZOM FILMGESCHICHTE noch bis April 2019 als Praktikant. Dieser Blogeintrag wurde verfasst mit Input von Dr. Ines Bayer.
Titelbild:
Projektvorstellung im Rahmen der Fachtagung „Filmbildung digital?“ im September 2018 © Deutsches Filminstitut
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