Eco Future (Distancing) Lab – Gemeinsam den Klimawandel hacken
Ein siebentägiges Veranstaltungsprogramm mit Konferenz, Ausstellung, Performances und Workshops, in dem Kreative aus aller Welt Ideen für eine nachhaltigere Zukunft entwickeln – so hatten wir uns das diesjährige „NODE Forum for Digital Arts“ in Frankfurt vorgestellt. Unter dem Motto „Eco Future Lab“ wollten wir mit neuen Technologien und viel DIY den sich verschärfenden Klimawandel ‘hacken’. Dass Kunst und Kreativwirtschaft wichtige Impulse zu gesellschaftlichen Themen liefern können, hat das „NODE Forum“ immer wieder gezeigt. Seit 2008 widmet sich das Festival den großen Fragen des digitalen Wandels, ist produktiver Lern- und Vermittlungsort zwischen Expert*innen und breiter Öffentlichkeit. Entsprechend groß war unsere Vorfreude, im Oktober wieder rund 10.000 Besucher*innen in Frankfurt willkommen zu heißen, um gemeinsam die Welt ein wenig besser zu machen. Dann kam Corona und hat unsere Pläne vorerst obsolet gemacht.
Das Forum zu verschieben oder gar abzusagen, da waren wir uns schnell einig, ist keine Option. Gerade in Zeiten globaler Unsicherheit und notwendiger räumlicher Trennung ist es wichtig, Menschen zusammenzubringen. Aber wie erzeugt man ein gelungenes Festivalerlebnis in Zeiten von Reisebeschränkungen und Social Distancing? In welchem Maß können wir auf digitale Medien ausweichen, ohne zum Corona-bedingten Überangebot von oft austauschbaren Online-Formaten beizutragen? Und lassen sich unsere Inhalte im Sinne des Veranstaltungsmottos vernachhaltigen?
So hatten wir uns das „Eco Future Lab“ vorgestellt: Ein siebentägiges Festival-Programm, in dem gemeinsam an Ideen für eine nachhaltigere Zukunft getüftelt wird (Fotos: NODE 17)
Die Beantwortung dieser und anderer Fragen ist uns nicht leicht gefallen. Mittlerweile sind wir von der Alternative überzeugt: Vom 2. bis 4. Oktober verwandeln wir die Haupthalle des Frankfurter Mousonturm in ein TV-Studio, aus dem über drei Festivaltage hinweg ein buntes Programm ins Internet gesendet wird. Die Idee des Fernsehformats ist dabei ernst gemeint: Vom morgendlichen Frühstücks-TV, über nachmittägliche Talk-Runden mit internationalen Gästen, bis hin zu abendlichen Übertragungen von audiovisuellen Performances und Kurzfilmen ist für jeden etwas dabei. Unsere Zuschauer*innen werden dabei aktiv ins Geschehen eingebunden – über Fragerunden, Video-Zuschaltungen und kreative Spielformate.
Die spekulativen Designer von Studio N O R M A L S entwickeln zum Beispiel ein interaktives Show-Konzept, in dem wir mit unserem Publikum den ökologischen Wandel proben. In einer Mischung aus Simulation und Gesellschaftsspiel – eine Art Carbonopoly – können Zuschauer*innen mit Tokens in verschiedene Nachhaltigkeitsmaßnahmen investieren, deren Auswirkungen die Spielwelt (und damit den Showverlauf) unmittelbar beeinflussen. Ziel ist, bis zum Veranstaltungsende Klimaneutralität herbeizuführen und so die komplexen Zusammenhänge von Umwelt und Gesellschaft besser verstehen zu lernen.
Ein weiteres Mitmach-Highlight dürfte ein virtuelles Gewächshaus sein, das als Zukunftsvision für die Frankfurter Naxoshalle entstehen soll. Inspiriert von realen Umbauplänen des mit „NODE“ eng verbundenen Veranstaltungsorts (in der Vergangenheit waren hier vor allem unsere Ausstellungen zu Hause), wollen wir unsere Community aber auch die Frankfurter Nachbarschaft einladen, ein digitales Abbild des historischen Fabrikgebäudes im Internet zu begrünen. Das im Verlaufe des Festivals (und darüber hinaus) wachsende virtuelle „Naherholungsgebiet“ soll öffentlicher Treffpunkt, aber auch Bühne für künstlerische Performances sein – ganz im Sinne der Theatertradition des Vorbilds.
Plan B für das „Eco Future Lab“: ein sechsmonatiges, praxisorientiertes Online-Labor, in dem Hacks und Hilfswerkzeuge entstehen (Illustration: N O R M A L S)
Die gemeinsame Arbeit an konkreten Ideen für eine nachhaltigere Zukunft ersetzt das interaktive „NODE“-Fernsehprogramm natürlich nicht. Deshalb starten wir beginnend mit dem Festival ein sechsmonatiges, praxisorientiertes Labor – das eigentliche „Eco Future Lab“ – in dem internationale Expert*innen aus Kunst und Kreativwirtschaft einen Lern- und Schaffensprozess anleiten. In sechs thematischen Online-Seminaren lernen Teilnehmer*innen zum Beispiel wie Mikroplastik aus unserer Kleidung ins Grundwasser gelangt oder wieviel CO2 die eigene Webseite verursacht – und was man dagegen tun kann. Die Idee: Jede Seminargruppe setzt sich gezielt mit einer Nachhaltigkeitsproblematik auseinander und entwickelt kreative Hacks und Hilfswerkzeuge, die dann auf einer eigens eingerichteten (klimaneutralen) Webseite anderen zur Verfügung gestellt werden.
Sollten es die Umstände erlauben, wollen wir den Abschluss des „Eco Future Lab“ im kommenden Frühjahr dann doch gemeinsam feiern. Dazu würden wir die Teilnehmer*innen und alle Interessierten nach Frankfurt einladen, um Ergebnisse zu präsentieren, Erfahrungen auszutauschen und vielleicht den kreativen Prozess fortzuführen. Vorerst gilt es aber unser Festival-Konzept mit Inhalt zu befüllen.
Im nächsten Update berichten wir im Detail von Programm-Formaten und stellen einzelne Künstler*innen vor, die uns bei „NODE 20“ und durch das „Eco Future Lab“ begleiten.
Autor:
Alexander Scholz ist freiberuflicher Journalist, Kurator und Publizist in Berlin. Als Gründer und Direktor von „HOLO“, einem internationalen Magazin für Kunst, Wissenschaft und Technologie, entwickelt er redaktionelle Inhalte und Veranstaltungsformate zu den Themen interdisziplinäre Praxis, künstlerische Forschung und Gesellschaft im digitalen Zeitalter. Bei „NODE 20“ gestaltet er gemeinsam mit Jeanne-Charlotte Vogt das Arts&Culture-Programm.
Titelbild:
Die Illustration ist Teil eines spekulativen Design-Konzepts, das Studio N O R M A L S im Auftrag der Stadtverwaltung von Mexico City entwickelt hat.
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