Zunehmend nicht mehr im Hier und Jetzt
Ein Interview mit Theun Mosk, dem Szenographen der Oper Upload.
Wie wird das Thema der zunehmenden Digitalisierung unserer Gesellschaft in der Szenographie der Oper Upload aufgegriffen?
Ich glaube, und ich habe mich selbst und die Menschen um mich herum beobachtet, dass wir zunehmend nicht mehr im Hier und Jetzt leben. Wenn wir unser Smartphone in der Hand halten, oder wenn wir vor einem Bildschirm sitzen, befinden wir uns in unserer zweiten Welt und in unserer zweiten Realität: Nachrichten senden, spielen, Wegbeschreibungen finden, Bilder in sozialen Medien anschauen und so weiter. Es dauert immer ein paar Sekunden, bis man zum „normalen“ Leben und zum „echten“ Kontakt mit anderen Menschen zurückkehrt. Wir sind wirklich daran gewöhnt, unsere Gedanken schnell auf zwei Realitäten umzustellen. Wir swipen, zoomen hinein und heraus und wechseln leicht zwischen Orten. Das tun wir auch auf der Bühne, in großem Maßstab. Aber das Schöne am Theater ist im Allgemeinen, dass wir Körperlichkeit und Zeit zusammen mit dem Publikum erleben, was die eine gemeinsame Erfahrung ermöglicht. Und man vergisst die Zeit auf eine andere Art und Weise.
Wir wollten während des Entwurfs- und Entstehungsprozesses der Oper ein digitales Set, einen digitalen Raum schaffen. Er sollte eine 2D-Projektion haben, aber auch dreidimensionale Räume, die auf mehreren Ebenen projiziert werden. Wenn man also alle Projektionen ausschaltet, sieht man nur auf Schienen bewegliche Rahmen. Sobald die Projektionen eingeschaltet sind, wird innerhalb der Projektionsschichten ein Raum geschaffen. Wir haben 3D-Modelle von Räumen erstellt, in die wir unseren Avatar hochladen konnten. Der Avatar wird live auf der Bühne hochgeladen.
Am Höhepunkt der Oper haben wir auch nach einem Moment gesucht, um eine noch stärkere und kollektive Erfahrung zu erschaffen, leider kann ich hier nicht genau sagen, wie wir das machen, denn das verrät zu viel…
Mit welchen Mitteln wird das Publikum denn zur Partizipation ermutigt?
Als Michel van der Aa vor zwei Jahren begann, mit mir über Upload zu sprechen, hat sich mir eine ganz neue Welt eröffnet. Mir wurde klar, dass meine Kinder vielleicht für immer weiterleben könnten. Diese menschliche Frage wird während der Oper etwas sein, an dem das Publikum aktiv teilnehmen muss, denn das Thema und all die menschlichen Fragen sind den Menschen in diesem digitalen Zeitalter, glaube ich, noch bewusster geworden. Sie beziehen sich auch auf Themen und Gedanken, die während COVID-19 aufkamen. Wie gehen wir mit dem Tod um? Und wollen wir ewig leben? Ich finde es interessant, dass wir bereits zwei Jahre lang darüber gesprochen haben, und jetzt macht COVID-19 diese Themen noch sichtbarer. Ich meine die Fragen nach einem endlosen Leben.
Ein Mensch hat eine Seele, ein Computer hat Daten und Algorithmen. Dieser Themenkomplex und viele andere sind in der Oper integriert. Das Sujet ist so interessant und es gibt so viel dazu zu erzählen, dass es meiner Meinung nach viele Fragen und Themen für das Publikum zum Verdauen aufwerfen wird, wodurch es teilhaben und mitdenken muss – während und nach der Aufführung. Das macht die Oper in meinen Augen wirklich interessant, neu und innovativ.
Das Gespräch führte Mareike Winter, Leitung der Öffentlichkeitsarbeit beim Ensemble Musikfabrik.
Titelbild:
Theun Mosk ist verantwortlich für Szenographie und Lichtdesign in der Filmoper Upload von Michel van der Aa © Edwin Vermeulen
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